Wie sich der Gender Pay Gap schliessen lassen würde
Es geht besser! Wieso verdienen Frauen weltweit für gleichwertige Arbeit noch immer weniger Geld als Männer? Auch wenn im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die Lohnlücke zwischen Frauen- und Männerlöhnen in der Schweiz recht gering ausfällt, sollte man sich mit diesem Status Quo nicht zufriedengeben. In der Schweiz verdienen Frauen knapp ein Fünftel weniger im ... mehr lesen
Es geht besser!
Wieso verdienen Frauen weltweit für gleichwertige Arbeit noch immer weniger Geld als Männer? Auch wenn im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die Lohnlücke zwischen Frauen- und Männerlöhnen in der Schweiz recht gering ausfällt, sollte man sich mit diesem Status Quo nicht zufriedengeben.
In der Schweiz verdienen Frauen knapp ein Fünftel weniger im Vergleich zu den Männern. Auch in Deutschland, den Niederlanden und Grossbritannien sieht es ähnlich aus. Schaut man sich einmal die bereinigte Gender Pay Gap in der Schweiz an, bessert sich diese in ihrer Position noch mehr. Bei den sogenannten bereinigten Gender Pay Gaps wurden folgende Faktoren mit einbezogen:
➡ Alter
➡ Geburtsland
➡ Bildungsniveau
➡ Berufserfahrung
➡ Hierarchiestufe
➡ Branche
➡ Grösse des Betriebs
Dies hat folgenden Hintergrund: Frauen sind häufiger in Kleinstunternehmen tätig als Männer, was häufig jedoch mit einer schlechteren Bezahlung einhergeht. Dass Frauen mehr Wert auf Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie legen, häufiger in Teilzeit arbeiten und deshalb weniger verdienen, sind Begründungen, an denen sich viele gerne bedienen. Doch damit die Gender Pay Gaps zu begründen, wäre zu einfach. Auch wenn dies direkte Einflussfaktoren sind, so sind es sicherlich nicht die ausschlaggebenden.
Wie lässt sich der Gender Pay Gap berechnen?
Hierzu gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Beim sogenannten unbereinigten Gender Pay Gap spielen Faktoren wie der Schulabschluss, Beschäftigungsumfang, Bildungsstand und Berufserfahrung eine eher untergeordnete Rolle. Es geht um den realen Unterschied der Löhne zwischen Männern und Frauen in gleichen Berufsgruppen. Beim bereinigten Gender Pay Gap werden Faktoren hinzugezogen, die Ursache für die unterschiedliche Bezahlung sein könnten. Das sind in diesem Fall Bildungsstand, Schulabschluss, aber auch das Alter. In der Schweiz wird bei der Ermittlung der Werte auch darauf geachtet, die Medianlohndifferenz der Bruttolöhne zu vergleichen. Das verhindert, dass aussergewöhnlich hohe Löhne die Statistik verfälschen.
Lohnunterschiede existieren nicht einfach nur so
Wenn Sie sich als Mutter dazu entscheiden, für einige Zeit zu Hause zu bleiben oder in Teilzeit zu arbeiten, ist das Ihr gutes Recht und bedarf keiner Rechtfertigung. In dieser Zeit nehmen Sie natürlich in Kauf, entsprechend weniger zu verdienen. Auch geht damit häufig einher, dass sich Frauen in dieser Position weniger gut vermarkteten, sich „kleinmachen“, um keine Probleme zu machen. Oft erachten sich Frauen dann als „glücklich“ darüber, von ihrer Arbeitsstelle die Chance bekommen zu haben, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. In diesem Moment auch noch nach mehr Gehalt zu fragen, liegt vielen Frauen fern. Zu gross ist die gewollte Agreeableness, die bereits in der Kindheit manifestiert wurde.
Mut, die Lücke zu füllen
Es gibt Berechnungen, die besagen, dass wenn es in diesem Tempo weitergeht, es noch hundert Jahre dauert, bis die Lohnlücke beseitigt ist. Kann es denn so schwer sein, diesen Missstand aus der Welt zu schaffen? Erfassen sämtliche Personalabteilungen doch die demografischen Merkmale aller Beschäftigungsverhältnisse, liesse sich der Gender Pay Gap innerhalb eines Unternehmens leicht berechnen. Wie kann es sein, dass in 2022 Frauen in Schweizer Unternehmen für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten noch immer weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen? Dabei wäre es ein Leichtes, die Lohnlücke in Unternehmen zu schließen.
Was getan werden kann
Zum Glück hat das Bewusstsein für Ungerechtigkeit in der Bevölkerung zugelegt und die Lücke schrumpft bereits. Auch die Ursachen für Diskriminierung bei der Bezahlung sind mittlerweile gut erforscht. Was sich nach wie vor als eine immense Hürde darstellt, sind die überaus festgefahrenen geschlechterspezifischen Stereotypen und Klischees in unseren Köpfen. Angefangen in der Kindheit wird Mädchen häufiger beigebracht, einfach nur brav zu sein und die Erwartungen der Eltern oder in der Schule zu erfüllen. Gerade in der Schweiz herrscht noch ein extrem patriarchalischer Grundgedanke, der diese Klischees innerhalb der Familien weiter fördert. Eine geschlechtergerechte Erziehung beginnt somit bereits im Babyalter. Doch was der Kindererziehung wirklich entgegenkommt, ist eine Erziehung ohne Rollenklischees und unabhängig vom Geschlecht des Kindes, um möglichst vielfältige Erfahrungen machen zu können.
So simpel es sich auch anhört, doch öffentliche Debatten sind wichtig, damit sich die Gesellschaft mit dem Thema auseinandersetzt. Sprechen Sie mit Ihren Freunden, Familie und Kollegen darüber. Das Sprichwort „Über Geld spricht man nicht“ gehört in die Tonne, ebenso mit den veralteten geschlechterspezifischen Stereotypen. Gerade beim Reden über Geld wird vielen Frauen erst bewusst, dass sie in ihrer Position mehr verdienen könnten. Holen Sie sich Informationen über Berufsnetzwerke wie Linkedin oder Indeed ein und fragen Sie direkt, wie viel Sie verdienen können. Es muss gar nicht auf die Barrikaden gegangen werden, es handelt sich hierbei lediglich um eine neutrale Einschätzung, die sich für Frauen als bare Münze herausstellen lassen kann.
Im Allgemeinen bedarf es beim Thema Lohn an mehr Transparenz. Der Fokus soll hierbei nicht nur auf Lohnunterschieden zwischen Männer und Frauen liegen, sondern auch zwischen den verschiedenen Lohngruppen und Branchen. Helfen Sie anderen dabei, sich bei diesen öffentlichen Debatten bewusst zu werden, wo sie stehen und bringen Sie Bewegung in die Denkweise von anderen. Ein Gender Pay Gap ist weder gottgegeben noch eine freie Entscheidung von Frauen.
Nur weil Frauen aufgrund von Kindererziehung plötzlich weniger arbeiten können, heisst das nicht, dass ihre Arbeit gleich weniger wert ist. Gerade in Gehaltsverhandlungen sind Frauen wesentlich vorsichtiger als Männer. Sich zurücklehnen und schauen, was der Arbeitgeber einem während der nächsten Gehaltsverhandlungen anbieten kann, ist keine bewährte Option. Eine gute Vorbereitung hilft bei der Argumentation. Hilfreich sind hierfür Online-Gehaltstabellen und vergleichbare Stellenanzeigen. Sie helfen dabei, sich ein Bild zu machen, wie sich die Bezahlung in Ihrem Beruf entwickelt.
Doch es geht auch darum, wie Sie sich selbst entwickelt haben und ob Ihr Chef oder Ihre Chefin mit den angebotenen Leistungen zufrieden war. Ein etwas offensiverer Weg wäre es, wenn Sie sich bei anderen Jobs bewerben würden, um Ihren „Marktwert“ einmal abzuchecken. So können Sie Ihren Vorgesetzten in Verhandlungen leichter die Stirn bieten, falls Ihre Forderungen ungehört bleiben sollten.
Das Recht nach einer gleichen Bezahlung wurde schon 1919 von Frauenrechtlerinnen in New York gefordert. Seit 2015 steht die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie die Forderung nach gleichem Entgelt für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten auf der globalen Agenda der Vereinten Nationen. Ebenso sichern seit 2017 Entgelttransparenzgesetze einen Auskunftsanspruch und fordern Unternehmen dazu auf, ihre Entgeltstrukturen zu überprüfen. Leider sind bis heute die Pflicht zur Entgeltgleichheit und das Recht auf gleiche Bezahlung keine Garantie für eine faire Behandlung am Arbeitsplatz.
Die meisten Unternehmen wollen jeden ihrer Angestellten gut bezahlen. Das ist eine gute Nachricht. Eine Schliessung des Gender Pay Gaps über Nacht ist also durchaus möglich. Gleichzeitig verfügen Unternehmen über ein ausgezeichnetes Instrument für ein gelungenes Monitoring der Fortschritte in Sachen Gleichstellung. Eine ungerechte Bezahlung lässt sich am leichtesten am Gehaltszettel ablesen. Diese eindeutige Grösse lässt sich immer wieder neu bemessen und zeigt, wie gut das Unternehmen dasteht und es gegebenenfalls nachsteuern muss.
Neben einer gründlichen Entgeltanalyse müssen klare Kriterien für die Bewertung von Tätigkeiten und deren Bezahlung definiert werden. Besonders wichtig: Die Regeln gelten für alle! Sie müssen bekannt und verstanden werden und deren Einhaltung muss überwacht werden. Dies ist unumgänglich für alle Konzerne, egal ob international agierende Konzerne, mittelständische Familienbetriebe oder das neu gegründete Start-up.
Transparenz als Teil des Kulturwandels
Die Einführung eines Kulturwandels, indem man über Geld spricht, ist unumgänglich. Das bedeutet natürlich nicht, dass ab sofort sämtliche Gehaltslisten im Newsletter verschickt werden müssen. Doch es bedeutet, dass es keine Gehaltsunterschiede mehr gibt, die nicht erklärt werden können. Hierzu braucht es klare Tätigkeitsbeschreibungen und Stellenbewertungen. Welche Leistung ist was wert? Welche Qualifikationen werden wie entlohnt? Spielt Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit bei der Bewertung eine massgebende Rolle? Das Veröffentlichen von Gehaltstabellen oder Gehaltsbändern bereits in der Stellenausschreibung zu kommunizieren sind Möglichkeiten, die der Entgeltüberprüfung dienen und vieles erleichtern können. Ist diese Voraussetzung erfüllt und sind sämtliche Gehaltsbestandteile klar definiert, ist Transparenz in jeder Form möglich. Transparenz gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen, um eine klischeefreie und neutrale Entgeltstruktur in Unternehmen einzuführen. Einer Überprüfung des Systems und der Einkommensunterschiede muss vom Berufseinstieg bis in die obersten Führungsebenen geprüft werden. Ein Prozess, der nicht nur einmal, sondern dauerhaft wiederholt werden muss.
Positive Nebenwirkungen
Inzwischen ist aus Studien bekannt, dass divers besetzte Teams bessere Ergebnisse erzielen. Auch ein höherer wirtschaftlicher Erfolg macht sich bemerkbar, wenn Frauen in Führungsetagen mitmischen. Diverse Teams sind motivierter, zufriedener und identifizieren sich mehr mit den Unternehmenszielen. Das zieht eine ebenfalls sinkende Fluktuation mit sich und verbessert die Reputation nach Aussen. Ausserdem erfüllt Fair Pay drei von 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen:
✅ Gleichstellung der Geschlechter
✅ gleiche Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit
✅ Verringerung von Ungleichheit in und zwischen Ländern
Egal ob Stakeholder:innen, Investor:innen und Beschäftigte - alle profitieren von einer transparenten und fairen Entgeltstrategie. Und die sollte immer mit der Anpassung der Gehälter von Männern und Frauen beginnen.
Sie können auch auf eigen Faust überprüfen, ob die Lohngleichheit im eigenen Betrieb eingehalten wird. Hierzu stellt der Bund Ihnen das Standard-Analyse-Tool „Logib“ zur Verfügung. Sie erhalten neben den Ergebnissen der Lohnegleichheitsanalyse weitere nützliche Berichte und Kennzahlen zur Identifikation von geschlechtsspezifischen Unterschieden. Die Anwendung ist kostenlos, anonym und einfach in ihrer Bedienbarkeit (Quelle: https://www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/dienstleistungen/logib-triage.html)
Wer sich langfristig für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sorgt, schliesst gleich alle anderen Pay Gaps mit. Sind die Entgeltstrukturen einmal von jeglichen Klischees bereinigt, lassen diese auch keinen Raum mehr für Diskriminierung. Einkommensunterschiede aufgrund von Herkunft, Hautfarbe und sexueller Orientierung gehören der Vergangenheit an.
Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Gleichberechtigung nicht nur ein schönes Wort mit nichts dahinter bleibt. Lösen wir uns von den historisch gewachsenen geschlechtsspezifischen Rollen und geben allen die Anerkennung, die sie verdienen!
#diversity #equality #inclusion #recruiting #genderpaygap