Warum uns Inklusion am Arbeitsplatz alle was angeht

Der Begriff Inklusion stammt aus dem Lateinischen und bedeutet einschliessen oder einbeziehen. Sprechen wir heutzutage von Inklusion, geht es um die barrierefreie Einbeziehung von Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung. Ziel der Inklusion ist es, dass alle Chancen auf alle Menschen gleich verteilt sind – unabhängig von ihrer Behinderung. Da der Job bei den meisten ... mehr lesen

Knowledge 12 Jan, 2023

Der Begriff Inklusion stammt aus dem Lateinischen und bedeutet einschliessen oder einbeziehen. Sprechen wir heutzutage von Inklusion, geht es um die barrierefreie Einbeziehung von Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung. Ziel der Inklusion ist es, dass alle Chancen auf alle Menschen gleich verteilt sind - unabhängig von ihrer Behinderung. Da der Job bei den meisten einen grossen Teil des Alltags einnimmt, ist es wichtig, dass Menschen mit einer Behinderung am Arbeitsplatz inkludiert werden. Inklusion beschränkt sich natürlich nicht nur auf Menschen, die mit einer Behinderung leben. Sie repräsentieren nur eine Dimension der Vielfalt. In diesem Blog fokussieren wir uns jedoch genauer auf diesen Aspekt der Diversity Dimensionen ein (Quelle: https://www.charta-der-vielfalt.de/diversity-verstehen-leben/diversity-dimensionen/).

In der Schweiz leben rund 1,8 Millionen mit einer Behinderung (2019). Das entspricht in etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Laut Bundesamt für Statistik sind 507.000 stark beeinträchtigt, etwa 6 Prozent.

Rechtliche Grundlagen

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) trat im Januar 2014 in Kraft. Dazu gehören drei Verordnungen:

  • die Verordnung über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsverordnung, BehiV; SR 151.31), und
  • die Verordnung über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (VböV; SR 151.34) sowie
  • die Verordnung des UVEK über die technischen Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (VAböV; SR 151.342).

Das oberste Ziel des Gesetzes ist die Erschaffung von Rahmenbedingungen, welche die Unabhängigkeit von behinderten Personen von der Hilfe von Drittpersonen erlaubt und sie somit vom Gefühl befreit, von anderen Personen abhängig zu sein. Staatliche Ämter und Träger, die der Bundesverwaltung unterstehen, sind dazu verpflichtet, das BehiG anzuwenden und für Barrierefreiheit zu sorgen. Das bedeutet:

  • Gebäude müssen barrierefrei sein.
  • Inhalte auf Webseiten oder in Broschüren müssen auch für Menschen mit Behinderung verständlich und leicht nutzbar sein.

Privatwirtschaftliche Unternehmen, Geschäfte, Restaurants oder Kultureinrichtungen sind von dieser Regelung ausgeschlossen.

Wie sieht die rechtliche Grundlage am Arbeitsplatz aus?

Das BehiG betrifft nur durch das Bundespersonalgesetz (BPG) geregelte Arbeitsverhältnisse, d.h. wenn der Bund auch Arbeitgeber ist. Das gilt unter anderem für den Bundesrat, die Bundesversammlung, die Parlamentsdienste, die Bundesbahnen und das Bundesgericht. Doch auch Departemente, die Bundeskanzlei, Gruppen und Ämter sowie dezentralisierte Verwaltungseinheiten sind durch das Gesetz abgedeckt. „Gemäss Artikel 13 BehiG setzt der Bund als Arbeitgeber alles daran, Behinderten gleiche Chancen wie nicht Behinderten anzubieten. Bei allen Arbeitsverhältnissen und auf allen Ebenen, namentlich jedoch bei den Anstellungen, trifft der Bund die zur Umsetzung des Gesetzes erforderlichen Massnahmen.“ (Quelle: https://fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2001/123)

Wieso stellen so wenig Unternehmen Mitarbeitende mit Behinderung ein?

Auch wenn viele Arbeitgeber behaupten, dass sich wenig bis keine Menschen mit Behinderung auf offene Stellen bewerben, klingt dies eher nach einer Ausrede. Viele Unternehmen stellen erst gar keinen Anreiz dar, sich als Unternehmen für Mitarbeitende mit Behinderung zu positionieren. Die Probleme fangen dann meist schon im Bewerbungsprozess an. Denn betroffene Personen sehen überwiegend nur zwei Möglichkeiten. Entweder wird versucht die Behinderung zu verstecken, oder sie sprechen diese gar nicht erst an. Doch diese Lösungen sind nur kurzweilig. Denn die Arbeit kann aufgrund von Einschränkungen und fehlenden Hilfsmitteln oftmals gar nicht richtig ausgeführt werden, was sich hinsichtlich Leistung und letztendlich auch Motivation auswirkt. Die andere Möglichkeit wäre, die eigene Behinderung offen anzusprechen. Doch dadurch wird der Mensch von vornherein als weniger leistungsfähig eingestuft. (Quelle: Gregor Demblin/kununu Interview).

Worauf kann man schon im Bewerbungsprozess achten?

Hast du eine Behinderung, dann fällt es dir sicherlich nicht einfach, Unternehmen, die Inklusion vorleben, von anderen zu unterscheiden. Doch worauf ist dabei genau zu achten? Gerade der Bewerbungsprozess kann flexibel gestaltet werden und Stellenanzeigen können Menschen mit Behinderungen explizit einladen oder aufrufen sich zu bewerben. Kann das persönliche Gespräch zum Erstscreening zum Beispiel anders abgehalten werden? Gibt es eine:n Ansprechpartner:in im Unternehmen, der/die sich um Inklusionsfragen kümmert? Gibt es flexible Arbeitszeiten? Wie wird die Barrierefreiheit umgesetzt?

Wie sieht der barrierefreie Arbeitsplatz aus?

Barrierefreiheit bedeutet, dass ein Mensch mit Behinderung genauso zurechtkommt, wie ein Mensch ohne Behinderung. Das fängt bereits bei kleinen, aber wesentlichen Dingen an. Sind die Gänge breit genug? Gibt es funktionierende Lifts, die, wenn nötig auch von einem Rollstuhl befahren werden können? Können die Arbeitstische in ihrer Höhe verstellt werden? Sind sämtliche Software, sowie Kommunikationssysteme für Menschen mit einer Behinderung ohne Einschränkung nutzbar. Auch Fluchtwege sowie Notausgänge müssen für Menschen mit Behinderung genauso erreichbar sein, wie Aufenthaltsräume, Kantinen und WCs. Wieso barrierefreie Arbeitsplätze noch so rar sind, hat sicherlich auch etwas mit den damit einhergehenden Kosten zu tun.

Das Thema ist für uns alle relevant!

Der Medienmacher und Aktivist Rául Krauthausen bringt das Thema auf den Punkt: „Der Behindertenbewegung (…) geht es nicht um eine Unterscheidung in behindert und nicht behindert. Es geht vielmehr um behindert und zeitweise nicht behindert. Entweder, wenn wir noch zu klein sind und Erwachsene für uns entscheiden oder aber, wenn wir älter werden und uns freuen, wenn es im Gebäude einen Aufzug gibt, weil wir vielleicht nicht mehr so gut zu Fuß sind.“ (Quelle: Rául Krauthausen/kununu Interview)

Gerade in Zeiten steigender Lebenserwartung und einem höheren Renteneintrittsalter ist davon auszugehen, dass immer mehr Menschen im Laufe ihres Berufslebens zumindest zeitweise durch eine Behinderung beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist es besonders nachhaltig, wenn Unternehmen daran arbeiten, ihre Arbeitsplätze barrierefrei zu gestalten und sich mehr für Menschen mit Behinderung zu öffnen. Zum Glück erkennen das immer mehr Unternehmen und feiern Erfolge, indem sie von der Vielfalt ihrer Mitarbeiter:innen profitieren. Die Zeit ist vorbei, in der sich Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrem Alter oder aufgrund einer Behinderung verstecken müssen. Nur wer keine Diskriminierung am Arbeitsplatz erfährt, fühlt sich wohl und kann sich frei entfalten. Das führt zu mehr Motivation und Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber.

Was kann man als Führungskraft am Arbeitsplatz tun?

Inklusion fängt an bei Gesprächen und Entscheidungen. Hat man bisher keine Erfahrung im Umgang mit Beeinträchtigungen, ist man schnell mal verunsichert, wenn plötzlich Menschen mit Behinderungen mit einem zusammenarbeiten. Die Situation ist ungewohnt neu und man möchte keine Fehler machen oder durch peinliche Fragen auffallen. Doch genau aus diesem Grund sollte man sich nicht mit den eigenen Fragen zurückhalten. Denn nur das behinderte Teammitglied weiß, welche Art der Unterstützung sie oder er am besten benötigt. Es gilt also bei jeder Entscheidung, die die Inklusion betrifft, das Teammitglied mit Behinderung ebenfalls miteinzubeziehen. Sollte dies übergangen werden, könnten ganz schnell Massnahmen getroffen werden, die ihr Ziel verfehlen. Denn im Vordergrund jeder Inklusionsbemühung sollte der Mensch im Mittelpunkt stehen.

Egal ob Menschen mit oder ohne Behinderung zusammenarbeiten, sie können jeden Tag voneinander lernen. Gehörlose sind nicht unbedingt stumm, Sehbeeinträchtigte sind meistens nicht blind und Menschen mit Trisomie 21 sollten nur dann so bezeichnet werden, wenn der Kontext die Nennung der Behinderung überhaupt erfordert. Um vorzubeugen, dass Begrifflichkeiten falsch verwendet werden, müssen Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und die Bedeutung der richtigen Wortwahl thematisieren. Die meisten Menschen ohne Behinderung können nämlich nicht wissen, welche Formulierung korrekt ist und Gefühle sind schnelle verletzt.

Doch das Miteinanderreden ist nicht der einzige Aspekt, der im Alltag eine wesentliche Rolle spielt: Auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten bedeutet für die Kolleg:innen von Rollstuhlfahrer:innen auch mal öfters in die Knie zu gehen.

Wie man sich unter Kolleg:innen helfen kann

Menschen mit Behinderung sind für andere Arten von Anteilnahme dankbar und wünschen sich keine Sonderbehandlung. Doch als nicht-behinderte Kolleg:innen kann man seine Unterstützung anbieten und dem oder der anderen einen Gefallen tun, der den Alltag erleichtert. Kreiert eine Wohlfühlatmosphäre, ohne ständig auf Eierschalen laufen zu müssen, denn das wirkt schnell unnatürlich und wirklich etwas davon, hat niemand.

Für Menschen mit einer Beeinträchtigung ist es wichtig, bei allen Prozessen mit einbezogen und stets persönlich angesprochen zu werden. Eine bewusste Integration darf nicht nur von den Führungskräften in Gang gebracht werden, sondern hat auch einen positiven Effekt, wenn die Kolleg:innen sich untereinander bei Entscheidungen absprechen. Je mehr Kommunikation, desto besser der Umgang untereinander. Gerade bei Seh- und Hörbeeinträchtigten Personen ist es besser, auch mal zu viel zu kommunizieren. Personen mit einer solchen Behinderung fühlen sich nicht nur wohler, sondern noch besser in den Arbeitsalltag eingebunden. Wer im Zweifel ist, ob sein Verhalten angemessen ist, kann behinderte Personen auch nach ihren Vorstellungen befragen. Wer eine natürliche Distanz zu anderen Personen im Alltag einhält, ist höflich und reagiert angemessen.

Redewendungen

Natürlich darf man sich blinden Menschen mit „auf Wiedersehen“ verabschieden und mit Rollstuhlfahrern „einen Spaziergang“ machen. Redewendungen, die auf die Behinderung als solche abzielen, sind besser zu unterlassen. Kommt die Behinderung einmal zur Sprache, so ist höchste Sorgfalt angebracht. Für Menschen mit einer Behinderung ist es besonders schlimm, fehlerhafte Informationen zu seiner Einschränkung zu erfahren. Gehörlose Menschen sind nicht gleich stumm und können trotzdem kommunizieren, zwar nicht über die gewöhnliche Art zu sprechen, aber dafür mit Gebärdensprache. Auch der Begriff „Mongolismus“ ist bei Menschen mit Down-Syndrom zu vermeiden, da dieser diskriminierend ist.

Gesundheitliche Einschränkungen sollten in unserem Alltag kein Hindernis im Umgang mit anderen darstellen. Viele Menschen mit Behinderungen haben liebenswerte und facettenreiche Eigenschaften. Langfristig gesehen profitiert das gesamte Unternehmen von Mitarbeitenden mit Beeinträchtigungen. Trotzt gemeinsam den Herausforderungen und bereichert euer Betriebsklima mit kreativen, offenen und flexiblen Denkweisen. Am Ende hat euer ganzes Team etwas davon. Nicht die technischen Probleme stehen im Vordergrund, sondern das Verständnis der Arbeitgeber, die sich einfach mal auf andere Herausforderungen einstellen müssen.

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Inklusion am Arbeitsplatz